Wie häufig habe ich mich schon gefragt, warum ich noch nie jemanden in eines dieser Löcher auf der Straße habe fallen sehen. Gestern etwa bin ich meinen täglichen Schulweg gefahren, auf dem ich an der Endhaltestelle in Kabatas von der Tramvay in den Bus umsteigen muss. Den Weg kenne ich mittlerweile im Schlaf, ich trotte einer breiten Masse von Pendlern hinterher. Gestern aber tauchte vor mir plötzlich ein etwa 15 Zentimeter tiefer Graben auf. Etwa zwei Meter breit, saubere Kanten. Scheinbar werden dort neue Leitungen verlegt. In Deutschland würde man vielleicht einen Zaun darum ziehen oder zumindest die Menschen mit Flatterband vorwarnen. Hier geht man davon aus, dass man auf seine Füße achtet. Jeder der tausenden Menschen, die dort täglich umsteigen.
Was ja auch stimmt. Die Bürgersteige und Treppen haben keine einheitlichen Stufenhöhen, auf der Straße ist an vielen Stellen der Teer aufgerissen oder weggespült. 90 Grad Winkel scheinen in diesem Land unbekannt zu sein. Stellt man einen Tisch an die Wand, muss man trotzdem aufpassen, dass hinten nicht die Stifte herunterkullern, weil entweder der Tisch oder die Wand oder beides schief gebaut sind.
Mir ist erst vor kurzem klar geworden, wie wichtig mir solche Kleinigkeiten sind, als ich im Starbuck’s saß. Freunde von mir wissen, dass ich unter normalen Umständen nie in einen Starbuck’s gehen würde – als nicht-Kaffeetrinkerin keine große Überraschung. Aber die haben dort kostenloses W-Lan-Internet und meine Mitbewohnerin liebt den Milch-Tee dort, also haben wir einen Abend amerikanisch verbracht. Hätte Starbuck’s Zimmer zur Miete angeboten, ich hätte ernsthaft darüber nachgedacht, dort eine Nacht zu verbringen. So gemütlich und sauber! Und es gibt Platz zwischen den Tischen, so dass man sich nicht um seinen Nachbarn herumdrücken muss…und die Toiletten sind ein Traum! Ich bin doch schnicksiger als ich gedacht hatte. Auch eine Erkenntnis, die mich ohne dieses Auslandssemester nicht getroffen hätte.
Zurück zu den Löchern in der Straße: Es fallen doch manchmal Menschen hinein. Einen türkischen Bekannten, der jeden Tag mit seiner Vespa zur Uni fährt, hat es eines erwischt. Er fuhr – glücklicherweise recht langsam - die Straße herunter und „freute sich über den Ausblick auf den Bosporus“, wie er erzählte, als sein Vorderreifen in einem Abflussloch stecken blieb. Der Regen hatte einen Gullideckel mitgenommen. Drei Leute haben ihm geholfen, seine Vespa aus dem Loch zu befreien. „Wir haben dann die Leute hinter uns gewarnt, dass sie um den Abfluss herumfahren sollen“, meinte er. „Aber dann bin ich weitergefahren.“ In Deutschland hätte man vielleicht der Polizei bescheid gesagt. Oder ein Warndreieck aufgestellt. Oder ein Flatterband gezogen. Aber hier achtet ja jeder auf den Weg…
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen