Für alle, die einen Grund suchten, Vegetarier zu werden
Ich gestehe: Ich habe schon wieder nicht gearbeitet, meine Abschluss-Paper warten weiterhin auf ihren Inhalt. Weil hier gerade Feiertag ist, wollten wir ein wenig spazieren gehen und sehen, was wir von Kurban Bayram mitbekommen. Das ist das islamische Opferfest, bei dem Tiere (Kühe und Schafe) geschächtet werden und das Fleisch mindestens zu einem Drittel an die Armen verteilt wird.
Seit Tagen sieht man Plakate in der Stadt (munkelt man, ich habe heute das erste dieser Art gesehen), auf denen verschiedene Organisationen anbieten, ein Tier gegen Geld zu töten. Denn Schlachten scheint auch in diesem Land nicht jedermanns Sache zu sein.
Als wir unsere Türkisch-Lehrerin gefragt haben, wo denn diese Tiere geschlachtet werden, und ob man einfach zuschauen könne, hat sie uns erst nicht verstanden und dann völlig entsetzt angeschaut. Sie habe das einmal gesehen, als sie klein war, sagte sie. Danach war sie ein paar Jahre Vegetarierin.
Uns hat das nicht abgeschreckt. Frohen Mutes sind Annegret, Carlotta und ich gen Eyüp gestiefelt, denn dort leben angeblich die gläubigsten Muslime. Zumindest die konservativsten.
Schon auf dem Weg dorthin trafen wir auf Hunde, die etwas nicht identifizierbares aus einer Mülltonne gefischt hatten. Annegret sagt, es sei eine Kuhleber gewesen.
(ich weiß, warum ich Hunde nicht mag!)
Dann wollte ich den beiden eine Moschee zeigen, die auf dem Weg lag, eine der ältesten Istanbuls. Doch als wir in den Innenhof schauten, fanden wir dort neben einem Haufen schmutziger Schafsfelle einen Haufen Innereien. Uns entgegen kam ein Typ mit einer weiteren Schubkarre Gedärm. Carlotta entschied sich spontan gegen einen Besuch der Moschee und wollte lieber weitergehen. Annegret und ich waren aber doch neugierig genug, um durch den Hintereingang in den Innenhof zu schauen. Dort sahen wir folgendes:
Die Männer hinter uns - alle etwas bleich um die Nasenspitze und Kette rauchend - meinten, wir könnten auch gern hinein gehen. Wir haben das Angebot angenommen.
(An dem Häuschen in der Mitte waschen sich die Männer normalerweise die Füße, bevor sie beten gehen)
Zwei Männer führten eine der vier im Hof angebunden Rinder hinter das Häuschen. Wir waren noch immer neugierig genug, zuzusehen, wie sie gemeinsam mit drei weiteren Männern die Kuh fixierten. Dann spritzte Blut in hohem Bogen und das Tier stolperte über seine Artgenossen. Einige von denen zuckten übrigens noch.
Annegret und ich waren uns nicht ganz sicher, ob wir uns noch weiter vorwagen wollten - wir entschieden uns dagegen. Während sie den Hof verließ, wurde ich von vier Männern gerufen, ich solle doch ein Foto von ihnen machen:
Warum das Ganze?
Das Opferfest erinnert an die verhinderte Opferung von Isaak durch seinen Vater Abraham. Vielleicht kennt der eine oder andere die Geschichte aus der Bibel: Gott stellte Abrahams Glauben auf die Probe und befahl ihm, seinen Sohn zu opfern. Abraham bereitete alles vor, doch als er nach seinem Messer griff, hatte Gott Erbarmen und befahl ihm statt seinem Sohn einen Schafbock zu töten und zu verbrennen. Isaak (oder auch Ismael) wiederum gilt als Vater der arabischen Völker.
Für die Türken heißt das, dass eigentlich jede Familie ein Tier opfern sollte. Das Fleisch wird dann unter anderem an die Armen verteilt. Angeblich entwickelte sich aber in den vergangenen Jahren der Trend, stattdessen an gemeinnützige Organisationen zu spenden.
Außerdem bedeutet das Fest, dass die Uni für vier Tage ausfällt und wir frei haben. Unsere türkischen Freunde - und zwar alle, ausnahmslos - hocken nun bei ihren Familien und schlagen sich den Bauch voll. Die Austausch-Studenten philosophieren über Europäisch-Türkische Beziehungen und ärgern sich über geschlossene Bibliotheken. Das Ganze geht bis zum 23.12., dann geht die Uni wieder los. Am 25.12. schreiben einige sogar Klausur. So viel zum Thema Frohe Weihnachten!
Zum Entspannen
Weitere Impressionen von unserem Spaziergang
(Das sind nicht die höchsten Bürgersteige Istanbuls!)
(Telefonzellen mit Beinen)
(Oh, das bedarf vielleicht einer Erklärung: Muslimische Jungs werden beschnitten, wenn sie um die sieben Jahre alt sind. Dann bekommen sie viele Geschenke und werden einen Tag lang richtig verwöhnt. Das Ganze könnte man mit der Kommunion in der katholischen Kirche vergleichen. Einige Eltern lassen dann Bilder von ihrem Sohn machen, mit dem traditionellen Kostüm. Das kann dann so aussehen. Oder auch noch viel kitschiger. Hochzeitsbilder sind nochmal viel schlimmer!)
(Dieser türkische Supermarkt war besser als jeder Import-Export-Schuppen in Deutschland. Und die haben das Zeug nicht fürs Schrottwichteln verkauft!)
(Meine beiden Bayram-Begleiterinnen)
(auf türkischen Plätzen finden sich manchmal Sportgeräte. Annegret sagt, die seien für die türkischen Frauen, weil die zu wenig Sport treiben würden. Ich glaube ihr.)
(Das ist die Nevizade. 364 Tage im Jahr ist sie proppenvoll, besonders am Wochenende. Heute sind alle bei ihren Familien. Zum Vergleich ein Bild von vor zwei Wochen)
In diesem Sinne: FROHE FESTTAGE!
1 Kommentar:
Gut, dass Du noch was zum entspannen dran gehangen hast. Sonst wäre mir möglicherweise mein Frühstück hochgekommen ;))
Du schreckst aber auch vor GAR NICHTS zurück........
Lieben Gruß aus Trier (noch..)
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