Die Uni liegt in Bebek. Das ist weit weg im Norden. Dort kann man auch wohnen, in Dorms. Einer davon heißt "Superdorm" und ist auch für ausländische Studierende offen.

Nicht nur von außen gleicht die Unterkunft einem Krankenhaus: Die WGs sind mit ausschließlich weißen Möbeln ausgestattet, die Wände sind weiß, die Fußböden mit grauem Linoleum belegt. Poster in den Zimmern sind verboten, genau wie Mikrowellen in der Küche und mehr als eine Kochplatte unter der Dunstabzugshaube. In einer Vierer-WG zahlt man pro Semester 2000 Euro Miete. Das Semester beginnt im September und endet im Januar. Macht 400 Euro im Monat. Ich zahle das Gleiche - in YTL. Gut, dafür habe ich auch bisher kein heißes Wasser und einige andere kleine Probleme. Aber mein Zimmer ist doppelt so groß wie das von Niamh und hat Holzfußboden. Das ist es mir wert.
Für türkische Studenten gibt es eine Alternative. Sie können im Männer- oder Frauendorm unterkommen, für 100 YTL im Monat. Dort lebt man mit acht Kommilitoninnen in einem Zimmer. Ayse aus meinem European Integration Kurs hat mich letztens dorthin eingeladen. Wenn ich mal müde bin, kann ich dort für ein, zwei Stunden in ihrem Bett schlafen, meinte sie, dann bräuchte ich nicht nach Hause fahren...

Nach Hause fahren ist nämlich so ein Ding. Der letzte Bus von der Partygegend in den Norden fährt gegen elf. Danach müssen Taksen benutzt werden. Es versteht sich, dass man nicht betrunken nach Hause kommen darf, oder?
Die Studenten machen deshalb manchmal Partys auf dem Campus. So zum Beispiel letzten Donnerstag. Niamh und ich sind an dem Abend zur "Karaoke-Party" gegangen. Der "Radyo Bogazici"-Club hatte eingeladen und einen der Hörsäle mit silbernen Girlanden in Notenschlüsselform ausgestattet.
Karaoke-Partys im nüchternen Zustand sind etwas witzlos, dachten wir und haben uns am Kiosk zwei Efes-Dosen gekauft. Die werden in schwarzen Plastiktüten abgegeben, damit niemand sieht, dass man Alkohol mit sich herumträgt. Mit dieser Tüte sind wir dann zur Party. Wo man natürlich keinen Alkohol kaufen darf.
Wir haben einen Abstecher in den Raum gemacht, dann sprach Niamh ein sehr wahres Wort: "Surreal".

Es war, als ob man noch einmal Tanzkurs-Luft schnuppern durfte. Alle wackelten etwas verlegen herum, niemand traute sich ans Mikrofon, die netten Menschen sitzen draußen und unterhalten sich. Das haben Niamh und ich auch gemacht. Ich weiß jetzt einiges mehr über den irischen Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten. Und dass Katzen kein Bier trinken, auch wenn man sie ganz lieb bittet.

2 Kommentare:
Ach du scheiße........die Bürokratie ist ja echt nervenzerstörend!!!
Katzen trinken eben lieber Rum oder Raki aus der Flasche als Bier aus der Dose. Gut geht übrigens auch fermentierter Fisch, wenn´s feste Speise sein darf. Behauptet jedenfalls dein alter Recherchelehrer.
Schöne Geschichte.
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