Dienstag, 9. Oktober 2007

Residence Permit


Leser mit schlechter Laune sollten diesen Abschnitt vielleicht besser später lesen. Oder gar nicht. Die Gefahr besteht, dass ich unflätige Wörter benutze, bisher konnte ich diese Geschichte nicht ohne roten Kopf erzählen. Sie ist lang. Aber nun ist sie - fast - gelaufen und ich will sie Euch nicht vorenthalten.


Die Geschichte beginnt mit der Ansage meiner Kölner Erasmus-Ansprechpartnerin, man solle sich doch bitte zu gegebener Zeit um ein Visum bemühen. Das tat ich - eine Woche bevor ich losflog. Knapp eine Stunde habe ich im Kölner Generalkonsulat verbracht, 30 Euro musste ich bezahlen, dann hatte ich ein grünweißes Papier in meinem Pass und einen Stempel, der mir sagte, ich müsse mich in der Türkei innerhalb eines Monats bei der Polizei melden.

So weit, so einfach.

30 Tage sind eine lange Zeit und da meine Uni Mitte September anfangen sollte, entschied ich mich, auf den Orientation Day zu warten und mich dann mit Hilfe der Uni um eine "Residence Permit" zu bemühen.

Das erste Mal, als ich beim International Office ankam, bekam ich ein fünfseitiges Formular in die Hand gedrückt. "Ausfüllen, wiederkommen". Darin fragte man mich sogar nach meiner Blutgruppe. Ich hatte keine Ahnung und keine Lust auf den Mist, also habe ich mich wieder gemeldet, mit der dummen Frage, ob Englisch oder Türkisch die gewünschte Formular-Sprache sei. "Türkisch, natürlich". Achso, klar. Und wie komme ich dahinter, was die entsprechenden Wörter sind?

Beim Ausfüllen eines Formulars half mir die Frau aus dem Office. Beim zweiten war sie unsicher und verwies mich an ihren Kollegen. Der war nie da. Bei meinem dritten und vierten und fünften Besuch jedenfalls nicht. Beim sechsten Mal holte ich mir bei ihm einen Rüffel ab, ich hätte ja nur die Hälfte ausgefüllt. Das heißt, den Rüffel holte ich mir nicht von ihm, sondern von seinem Übersetzer, denn der Mensch sprach ja - ich erwähnte es schon einmal - kein Englisch.

Alles fein ausgefüllt und ausgedruckt, verlangte der Mann 105 YTL von mir. "Nö", sagte ich selbstbewusst, "ich will da selbst hingehen". Schließlich kostet das ja 30 YTL weniger und vielleicht könnte das ja auch ganz interessant sein, auf einem türkischen Büro. Ich hatte da mal so einen Artikel gelesen .

"Oh", sagte man mir (indirekt), "aber da spricht keiner englisch" - ich weiß. "Und da brauchst Du noch einen Brief" - ich weiß. "Den kann ich Dir erst Dienstag geben". Na dann.

Bis zu besagtem Dienstag waren meine 30 Tage Meldefrist abgelaufen. Also habe ich mir überlegt, die 30 YTL doch zu bezahlen und mich etwaigen Diskussionen auf dem Amt zu entziehen. Dienstag war der Typ übrigens nicht da. Er war bei der Polizei-Station, um die Unterlagen meiner Kommilitonen abzugeben. Ein völlig überraschender Termin also, klar, dass er mir das nicht am Freitag sagen konnte, die hohle Frucht.

Ich habe also meinen Pass, meine fünfseitigen Unterlagen und 105 YTL abgegeben, um den Ärger los zu sein.

Mittwoch Abend um sechs erreichte mich dann eine Mail unseres geliebten International Relations Offices. Seit diesem Semester habe sich das türklische Recht geändert. Die Uni dürfe unsere Residence Permit nicht mehr für uns beantragen. Da müssten wir nun selbst tun. Am Montag würde ein Bus fahren, um neun. Wir sollten uns bitte innerhalb von 24 Stunden melden, ob wir den nehmen wollen, oder einen zu einer anderen Zeit. Sonst müssten wir dort allein hin. Das nennt sich Service: Sie sind zwei Wochen unfähig, etwas zu organisieren, dann haben wir einen Tag Zeit, um das wieder wett zu machen...

Montags habe ich frei. Ich wollte den Bus also nehmen und meldete mich an. Am Freitag kam die Email mit dem Hinweise, dass sie die Abfahrtszeit von neun auf sieben Uhr verschoben habe. Morgens. Man solle bitte den ganzen Tag einplanen, es dauere tendenziell lange.

Wusstet Ihr, dass in Istanbul die Bahnen erst um zwanzig nach sechs ihren Dienst aufnehmen? Ich nicht. Der Uni ist es im Zweifelsfall egal. Auf jeden Fall saß ich zwanzig Minuten an der Haltestelle, habe mich dann im Laufschritt beim Umsteigen einen Bus gen Norden ausgesucht und konnte erreichte die Uni exakt um 7.15 Uhr - ich konnte dem Bus zur Polizeistation noch winken.

Was tun? Es gibt nur eine einzige Polizeistation, die die Dinger ausstellt. Zusammen mit einer Portugiesin namens Mariana, die wie ich auf das Bussystem hereingefallen war, mit Hilfe von Niamhs Computer und Marianas Mitbewohnerin konnten wir den Weg finden - wir mussten erstmal zurück nach Karaköy (da kam ich gerade her) und dann weiter nach Fatih. Um neun waren wir da.

Kommen wir zum Schlangenkapitel.



(übrigens: allen anderen aus dem Bus wurden die Kameras am Eingang abgenommen. Sicherheitsgründe. Entschuldigt deshalb bitte die schlechte Qualität des Bildes, es ist sozusagen Spionage)

Erstmal stellt man sich an, um eine Nummer zu bekommen. Zwei Männer haben darin ihre Berufung gefunden. Mariana bekam die Nummer 63, ich die 138. Ein System gab es nicht. Jedenfalls haben wir es nicht gefunden.

Dann stellt man sich an, um die Stempel zu bekommen. Dafür sind vier Frauen zuständig. Jeder der etwa 80 Menschen in der Schlange muss dorthin. Nicht zu einer der vier Frauen, nein, der Reihe nach: Erst zur ersten, die drückt einen Stempel ein. Die zweite schreibt etwas. Die Dritte drückt einen Stempel auf eine andere Seite. Die vierte kontrolliert alles und sagt einem dann, wo die nächste Schlange ist, an die man sich anstellen soll.

Im nächsten Büro sitzt ein Mann und trägt nochmals Deinen Namen in ein Formular ein, und dann noch in ein anderes. Manchmal benutzt er rote, manchmal schwarze Stifte. Und manchmal sagt er, dass noch ein Formular fehlt. Wie bei meinem Vorgänger. Seine Eltern sind türkischer Abstammung. Jetzt muss er sich in Besiktas (weit weg gelegener Stadtteil) eine Bestätigung holen, dass sie KEINEN türkischen Pass mehr besitzen. Macht Sinn, oder?

Bei mir fehlte nichts. Schließlich hatten wir die anderen aus dem Bus ja auch gefunden und uns weitere zwei Seiten Formulare für unsere Unterlagen vom Residence Permit Unterlagen Aussteller unserer Uni abgeholt. Der wurde übrigens unterstützt von einem englisch-sprechenden Studenten. Der konnte zwar Englisch, hatte aber keine Ahnung von den Vorgängen, so dass er auch genauso gut türkisch sprechen hätte können. Eine Hilfe war er definitiv nicht.

Weil bei mir nichts fehlte, konnte ich mich an der nächsten Schlange anstellen, um 75 YTL zu bezahlen. Dann bekam ich einen Zettel, mit dem ich zur nächsten Schlange ging, wo man mir meine Unterlagen abnahm, sie mit Schwung in eine große Wanne warf und mir sagte, ich solle nächste Woche wiederkommen, dann sei mein "Heft" für den Pass fertig.



(Das ist Mariana mit dem Abholschein für das Heft vor dem Gebäude der Sicherheitspolizei)


Ok, wer jetzt noch weiterliest, kann sich vorstellen, wie ich mich gefühlt habe. Wenn man jetzt noch weiß, dass man auch einfach als Tourist einreisen, nach 90 Tagen eine kleine Tour nach Bulgarien machen und wieder zurückkommen kann, kann sich vorstellen, dass ich die türkische Bürokratie gefressen habe.

Deutschland, Deine Verwaltung ist ein TRAUM!

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