Montag, 26. November 2007

DAS WAR EIN TOLLES WOCHENENDE!!!


Auf die Gefahr hin, dass ich Euch mit meinen Schwärmereien auf den Keks gehe, berichte ich an dieser Stelle von meinem wahrscheinlich bisher türkischsten Wochenende. Wenn Ihr gerade schlechte Laune habt, blättert lieber nach unten zu den Undercover-Tscherkessen.



Freitag war Jack Straw in unserer Uni – der ehemalige britische Außenminister, der unter anderem an dem Einzug in dem Irak beteiligt war und später ein paar krasse Einschränkungen der Privatsphäre der Briten zu verantworten hat. Dementsprechend ungern hatten ihn die Bogazici-Studenten. Es gab Protestmärsche auf dem Campus:



und Poster:




Nach ein wenig Schleimerei im Public Relations Büro haben Niamh und ich Karten für die Rede bekommen. Allerdings war es weniger aufregend, als gedacht. Hauptsächlich hat er davon geredet, wie toll er die Türkei findet, welche netter Mensch doch „my friend Gül“ sei und dass die Europäer von den Türken lernen könnten. Was genau blieb allerdings unklar. Den anschließenden kritischen Fragen ist er in Riesenbögen ausgewichen.

Nach diesem Erlebnis habe ich mich erst einmal mit einem Ami, drei Türken und zwei Deutschen in ein Wasserpfeifen Café gesetzt und über die momentane politische Weltlage diskutiert – und über Integrationsunterschiede in den USA und Deutschland. Dafür ist man Erasmus-Student, oder?

Fasil


Den Abend habe ich dann - statt wie geplant in einer türkischen Oper - auf einer „Fasil“ verbracht. Das allein ist schon ein Blogeintrag wert:

Man nehme ein tolerantes Restaurant, etwa 60 sehr ordentlich gekleidete (Hemden und Blusen) türkische Studenten, einen Klarinettenspieler, einen Mann, der die „saz“, die türkische Gitarre, beherrscht, ein leckeres zwei Gänge Menü und gebe einen ordentlichen Schuss Raki hinzu. Heraus kommt ein Abend, an dem Menschen auf den Tischen tanzen, lauthals türkische Volkslieder singen und dazu diese Schellentrommeln schwingen, die man noch aus dem Musikunterricht kennt. Ich war ja glücklich, dass ich Ayse und Annegret hatte – sonst wäre ich vermutlich vor Kulturschock in Ohnmacht gefallen. Stattdessen habe ich mich selbst irgendwann auf einem dieser Tische wieder gefunden, wo mir Ela beigebracht hat, die Hüften zu schwingen. Sie hat es zumindest versucht.

Der Abend wurde lang, erstreckte sich über meherere Bars, die aber entweder zu klein, zu voll oder zu leer waren und endete wie so viele im Araf. Dort hat Kinay (zu dem später mehr) darauf bestanden, meine Salsa-Kenntnisse zu prüfen. Ich bin nach Hause geflohen – da war es vier.

Mairéad

Samstag war mal wieder ein Gammeltag. Eigentlich wollte ich den Proben einer türkischen Rockband lauschen, aber ich war zu spät und habe stattdessen Niamh im Superdorm-Gefängnis besucht. Sie hat zur Zeit Besuch von ihrer Schwester Mairéad, die eine Schote nach der anderen reißt, so dass man immer viel zu lachen hat, vor allem über Mairéads Versuche, sich ohne Türkisch-Kenntnisse durch Istanbul zu schlagen. Mein momentaner Favorit: Mairéad geht in eine Apotheke, greift sich an den Hals, hustet, verdreht die Augen, fälscht einen Nießer, röchelt – um etwas gegen Erkältung zu bekommen. Die Apothekerin schaut sich das in aller Ruhe an und meint dann mit feinstem britischen Akzent (sagt Mairéad): „So, you have got a cold?“

Samstag abend wollte ich ruhig angehen, schließlich stand für den nächsten Tag ein Paragliding Trip an. Wir sind dann nur in drei Bars gewesen und haben uns nur bis zwei zum Affen gemacht. Mit Ayse, ihrem Bruder, den die Militär-Akademie mal für ein Wochenende in die Freiheit entlassen hat, zwei Militär-Akademie-Freunden, Carlotta, der besten Tänzerin unter den deutschen Erasmuslern und Umut, dem deutsch-türkischen Teppichhändler. Wer auf die Idee gekommen ist zu moshen weiß ich nicht mehr. Aber jeder Muskel in meinem Hals schmerzt von diesem Abend. Es war – ich kann’s nicht anders ausdrücken – saugeil.

Die erste Bar und Afisye, Ayses Freundin. Man beachte: Atatürk ist überall



Eigentlich wollte ich gar kein Bier trinken :)



(Fast) die ganze Truppe





Paragliding Sonntag

Ich bin geflogen!!!

Zwar nur einmal und auch nicht lang, aber jetzt weiß ich, dass ich es kann!
Diesen Tag erzähle ich am besten in Bildern:

Hoch zum Hügel




Diskussionen über den zu starken Wind





Umfunkionieren der Fallschirme




Zeltatmosphäre: Was macht man da am besten? Spiele spielen. Unsers hieß „Kac kabak olmus?“ und ist mehr oder weniger ein türkisches Zungenbrecher-Spiel. Ich bin als zweites rausgeflogen. Kinay war noch dümmer.




Erste Flugversuche der besseren Piloten






Wind messen


So eine Jacke habe ich auch bald!



Fertig machen




Und an dieser Stelle eine Kleinigkeit zu Kinay: Er ist einer von diesen türkischen Jungs, die einem immer beweisen müssen, wie höflich und zuvorkommend sie sind. Mit anderen Worten: Er gräbt jede an. Alle heißen „Canim“ (Schatz). Es ist wirklich witzig, mit ihm herumzuhängen, wenn er nicht gerade versucht zu erklären, warum er Hitlers Führungsqualitäten bewundert (und damit ist er widerlicherweise nicht allein in diesem Land). Er wird Chemie-Lehrer. Warum auch immer. Und er wollte Fotos von meinem Flug machen, leider war die Speicherkarte schon voll, weil er mich vor dem Abflug aus jedem Winkel fotografiert hat. So kann ich Euch keine Beweisbilder schicken. Aber angeblich existiert ein Video auf Ayses Handy. Jetzt muss ich ihr das nur noch klauen.

Ayses Flug




Und dann gings heim. Hach, nächste Woche will ich wieder fliegen. Vielleicht kann ich dann auch etwas das Gefühl genießen. Denn bei diesem ersten Mal habe ich mich vollkommen auf meine Beine und Arme konzentriert: „Immer weiter laufen, nicht zu früh in den Sitz setzen, Arme auf Schulterhöhe, nicht zu heftig an den Bremsen ziehen, Arme auf Schulterhöhe, Arme auf Schulterhöhe, oh Gott, da kommt ja schon der Boden!“

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