
(Die "russische Kirche")
Mit ausreichend Schlaf und gutem Frühstück im Magen sieht alles schon viel besser aus, so auch Sofia. Mit der Straßenkarte vom Hostel habe ich mich in aller Ruhe auf den Weg durch die älteren Stadtteile gemacht, vorbei an Kirchen mit goldenen Dächern, weitläufigen Plätzen, Einkaufstraßen mit vielen kleinen gemütlichen Läden und unzähligen Statuen.

(Diese Kirche wurde in Gedenken an die gefallenen Soldaten im Krieg gegen die Osmanen gebaut. Ich fuehlte mich fast ein bisschen schuldig - deutscher Reflex?)

(In Sofia gab es einst eine Festung. Die Grundmauern sind in den Unterfuehrungen integriert wie diese)
Sofia verkörpert noch einmal eine ganz andere Kultur als Istanbul oder Köln (ja, hinkender Vergleich, ich weiß). Hier haben die Orthodoxen Christen das Sagen, in den Kirchen leuchten goldene Wandbildern und Marmor-Altäre. Die Luft riecht, als würde ununterbrochen Weihrauch abgebrannt. Die Bilder in den Kuppeln sind völlig schwarz, und viele Wandmalereien kaum zu erkennen unter der dicken Russschicht. Zwar sind sie ähnlich aufgebaut wie die Moscheen, aber vermitteln ein völlig anderes Gefühl – viel schwerer und ernster.

(In der Krypta einer Kirche war eine Ausstellung ueber Ikonen. Dies ist ein antiker Beichtstuhl. Die scheinen noch lieber zu beichten als die Katholiken!)
Auch das Essen ist dem türkischen zwar ähnlich, aber noch fettiger. Das Teilchen aus der Bäckerei, das ich mir zum Mittag geholt hatte, liegt mir immer noch schwer im Magen. Es war ähnlich wie ein Berliner, aber triefte von Fett. Genau wie das Baklava, dass ich mir vorher in einem Anfall von Wehmut gekauft hatte. Das triefte von Honig – noch schlimmer als in Istanbul. Ich spreche mal nicht von der Pizza.
Aufgewärmt habe ich mich in verschiedenen Malls, von denen es hier mindestens vier gibt. Dort wird in Endlosschleife 90er Jahre Euro-Pop gespielt, 2unlimited und so ein Kram. Vielleicht war das Absicht, damit die Leute nicht zu lange bleiben. Nach spätestens einer Viertelstunde war ich von der Musik jedes Mal so angenervt, dass ich die Läden wieder verlassen habe. Wenn ich allerdings anschaue, was die bulgarischen Musiksender so spielen, kann es auch sein, dass die Musik hier wirklich gemocht wird.

(Denkmal fuer - oder gegen? - die Zeit des Kommunismus)

Der Palast selbst war abgesperrt – dachte ich zumindest. Dann habe ich einen Seiteneingang gefunden, der sich öffnen ließ. Ehrlich gesagt, hatte ich ein wenig Angst als nächstes von der bulgarischen Polizei eingesammelt zu werden. In dem Gebäude wurde gerade eine Messe oder so was vorbereitet, auf jeden Fall bauten Menschen dort Gewerbe-Stände zwischen die Bronze-Wandskulpturen. Von den Lampenvorhängen war keiner an und ich habe mich über Treppen nach oben geschlichen, die nur vom Tageslicht erhellt wurden. Nirgendwo jemand zu sehen. Auf der fünften Etage habe ich dann eine Tür nach draußen auf die Dachterasse gefunden – und ein Café, in dem ich tatsächlich gefragt wurde, ob ich was trinken wolle. Das mit der Werbung sollte der Laden wirklich noch einmal überdenken!
Jetzt sitze ich wieder in meinem warmen Hostel. Es ist richtig nett, ich sitze hier jetzt seit zwei Stunden herum und habe schon so viel über bulgarische Musik gelernt, wie in sechs Monaten über türkische – von dem Angestellten hier, der zwar das Zeug auf dem Fernseher auch nicht mag, aber gerne erklärt. Nebenbei kann man umsonst ins Internet, im Preis von etwas mehr als 10 Euro ist außerdem das Frühstück und Nudeln als Abendessen, ein Bier und eine ausführliche Straßenkarte zum Sofia-Erkunden enthalten. Würde Julia nicht morgen in Belgrad auf mich warten, ich würde noch eine Nacht bleiben!

(Der Mensch rechts arbeitet hier, der andere wird morgen nach Istanbul abfahren. Im Moment zeigen sie sich gegenseitig Fussball-Tricks. Nett hier!)
Übrigens: Gestern abend waren wir zu dritt in einer sehr gemütlichen Jazz-Kneipe, die uns ein Kumpel in Istanbul empfohlen hat. Ute (eine der beiden aus dem Zug) kannte sie nicht, also haben wir mal den Versuch gewagt. Es spielte eine Ragtime Band und der Klarinettist war richtig (!) gut. Eine kleine Lady – man kann sie nicht anders beschreiben, sie war so um die 50 – fand die Musik so gut, dass sie eine Tanzeinlage hinlegte. Und dann noch eine. Und dann fing sie an zu singen, und zwar richtig gut. Als wir dann noch einen Berliner kennen lernten, der am Tag vorher eine Bulgarin geheiratet hatte, hatte ich mich endgültig mit der Stadt versöhnt. Der Martini für 1,50 Euro hat vielleicht auch geholfen
Danke Jan! Falls Du das hier liest...
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